Afrika in Europa ? Kaum.

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Ich habe in den Jahren 1979 bis 1982 einen Um-die-Welt-Trip gemacht, da und dort gearbeitet, um mich durchzuschlagen, nur ein Kontinent blieb mir versagt: Afrika. Durch Zufall bekam ich dann im Jahr 1991 einen Job bei der SUISA, der Urheberrechtsgesellschaft für Musik in Zürich – als IT-Netzwerktechniker, obwohl ich mein Wissen nur durch das Betreiben eines sogenannten BBS (der Vorläufer von Internet) aufgebaut hatte – ohne Diplom. Ja, das ging dazumal noch ! Da die SUISA in vielen Ländern Tochtergesellschaften hat, suchten sie einen, der ein paar Computer nach Mali mitnimmt und dort die Leute ausbildet. Keiner wollte gehen – ausser mir.

Und dann kam ich an. Keine Ahnung von Afrika, Französisch, oh Gott, Staub und 42° Hitze. Aber das Leben ! Diese Gerüche. Dieses Leben auf der Strasse. Dieser Lärm. Dieses Lachen überall. Diese Geduld. Dieses Laissez-Faire. Nach 2 Wochen bemerkte ich gar nicht mehr, dass ich eine andere Hautfarbe habe und ein „Nasara“ (Weisser) bin und auch noch ein“Djeli“ (Griot), weil ich Musik mache. Also Nasaradjeli. Deshalb mein Nick hier. Niemand gab mir das Gefühl, nicht einer von ihnen zu sein.

Zurück in der Schweiz ging mir das Ganze nicht mehr aus dem Kopf, und 1995 kündigte ich und zog nach Mali. Eine weibliche Person spielte da auch eine gewisse Rolle….Bamako wurde meine zweite Heimatstadt. Und ich lernte Leute aus Senegal kennen, aus Kamerun, und bald wurde ich zu einem Wanderer zwischen diesen Ländern. Dort eine „Familie“, da eine…und bis 2003 hatte ich eine NGO und eine kleine Firma auf die Beine gestellt, zusammen mit den Leuten, die zu Freunden geworden waren – echte Freunde.

Wegen finanziellen Schwierigkeiten musste ich schlussendlich zurückkehren, ein Business aufzubauen ist in Afrika kein Pappenstiel. Jedenfalls – und das ist das Erstaunliche – nach 6 Jahren mehr oder weniger Funkstille ein Anruf aus Senegal. „Was machst du so ?“ „Hey, Aliou, ça fait longtemps !“ „Viens, on recommence !“ – Komm runter, es geht wieder los ! Und ich flog runter. Es waren 6 Jahre vergangen, aber wir sassen auf dem Dach, sinnierten und es war, als wäre ich gestern erst weggeflogen und heute wiedergekommen. Nie zuvor hatte ich ein solches Gefühl erlebt.

Was ich mit dieser Litanei sagen will: Es ist unglaublich, wieviel Gefühl, Lebensfreude, Weisheit, Treue und Realitätssinn Afrikaner haben. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass sie uns in diesen Beziehungen meilenweit voraus sind.

Wir hingegen stolzieren selbstüberschätzend in der Landschaft herum und denken, wir seien die Grössten. Wir halten uns für tolerant, allwissend und weltoffen, dabei sind wir genau das Gegenteil. Was wir uns einreden wollen, ist bei ihnen eine natürliche Tatsache.

Und das genau ist der Grund, weshalb ich zurück nach Afrika gehe. Für den Rest, der mir noch bleibt. Und es macht mir nichts aus, notfalls mit der Taschenlampe nachts in der Aussentoilette in ein Loch zu kacken, wo Kakerlaken ihre Heimat haben oder mal für ein paar Tage kein Strom da ist.

Mir genügt das Lachen der Kinder und das Zusammensein in einer funktionierenden sozialen Gemeinschaft.

Ich gehe nach Hause.

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